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Der frühere Eiskunstläufer Norbert Schramm lebt als Fotograf in New York
- er blickt eher reserviert zurück

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG | SPORT IN BAYERN | INTERVIEW: Matthias Fiedler | 06.07.2012

Der Mann der immer lächeln musste

Einst richtete sich das Scheinwerferlicht nur auf ihn. Das Publikum war verzückt von diesem grazilen jungen Mann, wenn er seine bizarren Pirouetten und wilden Sprünge aufführte. Wenn er in seinen roten Anzügen scheinbar mühelos über das Eis glitt und in die Menge strahlte – mit dieser greifbaren Lebensfreude. Norbert Schramms Art des Eiskunstlaufens war so facettenreich wie die Beinamen, die man ihm zuschrieb. "Prince Charming", "King of Ice" oder "lustiger Harlekin" – die Medien zögerten nicht, wenn es darum ging, für den in Nürnberg geborenen Schramm immer noch einen weiteren Titel zu finden.

Sein bürgerlicher Name stand vor allem in den achtziger Jahren für Deutschlands erfolgreichsten Eiskunstläufer. Er
stand für den Vorzeigeathleten, der als Amateur 1982 und 1983 jeweils Silber bei der Weltmeisterschaft und Gold bei der Europameisterschaft gewann. Und er stand für den Entertainer, der nach Abschluss seiner aktiven Laufbahn bei Eis-Shows wie "Holiday on Ice" zeigte, was sich auf drei Millimeter breiten Kufen alles anstellen lässt.

Der Kanadier Toller Cranston, oft als einer der besten Eiskunstläufer aller Zeiten bezeichnet, sagte nach der EM 1983, dass mit Norbert Schramm ein neues Kapitel im Eiskunstlauf begonnen habe. Heute, 29 Jahre später, hat für Norbert Schramm selbst ein neues Kapitel begonnen. Es ist ein Kapitel, das nur noch bedingt mit dem Eiskunstlaufen, noch viel weniger mit Norbert Schramm im Scheinwerferlicht, dafür immer noch mit Toller Cranston zu tun hat. Den bewundert Schramm nämlich nach wie vor. Nicht nur für seine einst so ausdrucksstarke Art des Eiskunstlaufens, sondern auch für seine Illustrationen, die meist Eiskunstläufer in imposanten Posen zeigen. Norbert Schramm liebt diese Bilder, von denen er auch einige zu Hause hat. Auf einem ist er gar selbst zu sehen – natürlich beim Eiskunstlaufen. Cranston hat es für ihn gezeichnet.

Gern würde Schramm es aufhängen, aber bisher ist er noch nicht dazu gekommen. Erst kürzlich ist er umgezogen. Von New York City nach Hoboken in New Jersey, auf die andere Seite des Hudson Rivers. Der Vermieter in New York brauchte die Wohnung für private Zwecke. "Die Mietpreise in New York sind verrückt. Für ein Dreizimmer-Appartement bezahlst du mittlerweile 4000 Dollar", erzählt Schramm. Was er bezahlt, will er nicht verraten. Aber ein Schnäppchen dürfte seine Dreizimmerwohnung direkt am Hudson und mit Blick auf New Yorks Sonnenuntergänge nicht sein.

Schramm, mittlerweile 52, lebt seit anderthalb Jahren in New York. Hingezogen ist er vor allem der Liebe wegen. 2009 hatte er die Regisseurin und Tänzerin Marianne Hettinger auf der Premiere ihres Films "Mango Tango" in Augsburg kennengelernt, im April 2011 heirateten sie. Irgendwann wurde ihm das Pendeln zwischen Deutschland und den USA zu aufwendig. Der Umzug nach New York und zu seiner Frau war nur eine Frage der Zeit. Freilich sei New York nicht seine Traumstadt. Groß, hektisch und laut ist es. "Hier muss man sich seine Ruhepole selbst schaffen", sagt Schramm. "Aber ich bin da flexibel." Wenn es ihm zu viel wird, geht er einfach eine Runde am Hudson spazieren oder joggen. Er staune dann, sagt er, wie pulsierend und gleichermaßen still diese Stadt sein kann.

Die Weltbühne New York, auch wenn Schramm sie in Maßen genießt, irgendwie passt sie zu ihm. Sein ganzes Leben
war er als Sportler und Privatmann in der Welt unterwegs, er wurde 1984 Profiweltmeister in den USA. Nach der Scheidung von seiner ersten Frau 2006 nahm er sich eine Auszeit und bereiste zwei Jahre Südamerika, "um die Seele aufzuräumen". 2008 pilgerte er auf dem 800 Kilometer langen spanischen Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Wenig später war er in einer Fernseh-Reality-Show im australischen Dschungel zu sehen. Wirklich zur Ruhe kam er nie.

Die zweite Karriere

Nun lebt Schramm in der Stadt, die nie schläft, die aber auch ihre Vorzüge hat, wie er zugibt. Hier kann er sich voll
und ganz der Fotografie widmen, seiner Leidenschaft, die er inzwischen zum Beruf gemacht hat. Seit er 16 ist, fasziniert ihn diese Technik, mit der sich Momente einfangen lassen. Und nach besonderen Momenten muss er in New York nicht lange suchen. "Ob Marathon, Miss-Wahl oder Memorial Day, irgendwas ist hier immer los", sagt Schramm. Wer sich mit ihm unterhält, bekommt nicht den Eindruck, dass er das alles ganz toll und aufregend findet, was er da macht. Es ist für ihn mittlerweile zum Alltag geworden.

Ein Werktag, um elf Uhr. Schramm sitzt gerade daheim an seinem Computer, er muss Bilder bearbeiten. Für tausend
Stück hat er etwa sieben Stunden eingeplant. Die Zeit für ein Gespräch nehme er sich trotzdem gern, sagt er. Er kann sich sein Arbeitspensum ja frei einteilen – ein Vorzug, den er zu schätzen weiß. Genauso wie den gewissermaßen nicht vorhandenen Arbeitsweg und die Ruhe um ihn herum. Sein Arbeitsrhythmus wechselt stetig. Den einen Tag rausgehen und Fotos machen. Den anderen zu Hause das Bildmaterial sichten und aufbereiten.

Schramm hat gerade die Bilder einer Hochzeit vom Vortag auf dem Schirm. Es war ein ziemliches Hin und Her – nicht nur für die zwei Cellisten der New Yorker Metropolitan Opera, die eigentlich im Central Park heiraten wollten, ihre Feier wegen des Regens aber ins Astra Hotel verlegen mussten. Auch für Schramm war es hektisch. Erst das Kamera-Equipment auspacken, dann wieder einpacken, zum nächsten Treffpunkt hasten, sich auf die neue Umgebung einstellen, Motive suchen, Positionen finden, Leute anweisen und immer wieder auf den Auslöser drücken – elf Stunden lang. "Danach war ich ziemlich platt", sagt er. Aber der Job mache Spaß. "Und die Menschen danken es dir mit ihrer Herzlichkeit." Überhaupt habe er das Gefühl, dass die Leute in den USA Leistung mehr zu schätzen wissen. "Wenn du bei einer WM Zweiter geworden bist, haftet dir in Deutschland für immer der Ruf des
zweiten Siegers an. In Amerika bist du einfach der Medaillengewinner."

Er will im Gedächtnis bleiben:
"Aber nicht als der Eiskunstläufer, sondern als der Fotograf."

Es schwingt eine gewisse Reserviertheit mit, wenn Schramm über Deutschland, speziell über die deutschen Medien spricht. Das Image des ewigen "Strahlemanns", das man ihm "verpasst" hatte, habe sich schnell verselbstständigt und ihn oft in Konflikt mit sich selbst gebracht. "Die Leute haben immer erwartet, dass ich lächele. Habe ich es nicht getan, sind sie enttäuscht gewesen", sagt Schramm. Man merkt ihm an, dass ihn die Geschichten und Gerüchte um seine halbseitige Gesichtslähmung (1997) oder seine finanzielle Situation (2009) gekränkt haben. An manchen Behauptungen trage er auch eine gewisse Mitschuld, sagt er: "Weil ich unterschätzt habe, was es bedeutet, wenn man beispielsweise ins Dschungelcamp einzieht und sich so für jedermann angreifbar macht. Dann musst du mit den Konsequenzen leben." Deutschland verbunden fühle er sich natürlich trotzdem noch. Alle paar Wochen fliegt er für fünf bis sechs Wochen in die Heimat. "Ich habe ja meine Wurzeln hier", sagt er. Nur im Umgang mit der Öffentlichkeit ist er inzwischen vorsichtig geworden. Er hat aus Fehlern gelernt.

Norbert Schramm war nie dafür bekannt, seinem Ärger Luft zu machen, wenn ihm etwas nicht passte oder wenn er unzufrieden war. Ein Blick auf seinen Lebensweg zeigt, dass er lieber damit begann, sich zu verändern. Student, Gründer einer Marketingagentur, Werbegrafiker und künstlerischer Leiter der Eis- Shows im Europa-Park in Rust – Schramms Karriere nach der aktiven Laufbahn ist so bunt, wie es einst seine Choreographien waren. Es treibt ihn an, nach immer neuen Herausforderungen zu suchen. Den Höhepunkten und Niederlagen aus der Vergangenheit trauert er nicht nach. "Die Zukunft geht nur in eine Richtung", sagt Schramm und wirkt dabei zufrieden.

Norbert Schramm

Die Liebe zum Eiskunstlaufen ist ihm nie abhanden gekommen. Im New Yorker Ice Theater dreht er manchmal noch seine Runden. Braucht die Tanzgruppe des Theaters einen Rat, steht e r ihr zur Seite. Aber jetzt ist die Fotografie die Disziplin, in der er Perfektion erlangen will. Seine Bilder "sollen eine Geschichte erzählen und den Menschen im Gedächtnis bleiben", sagt er. Er selbst will den Menschen auch im Gedächtnis bleiben. "Aber nicht als Norbert Schramm der Eiskunstläufer, sondern als Norbert Schramm der Fotograf." Er weiß, dass das nicht von heute aufmorgen passieren wird und dass er dafür noch eine Menge tun muss. Sein erster Bildband ist bereits in Arbeit. Matthias Fiedler

Bisher erschienen Porträts von Matthias Fiedler über Markus Zoecke (Tennis), Josef Schwarz (Weitspringen), Uschi Disl (Biathlon), Knut Reinhardt (Fußball), Miriam Vogt (Ski alpin), Toni Mang (Motorrad), Peter Schlickenrieder (Langlauf), Uwe Blab (Basketball), Carlo Thränhardt (Hochsprung).

Nach besonderen Momenten muss Fotograf Norbert Schramm in New York (Bild oben) nicht lange suchen: "Ob Marathon, Miss-Wahl oder Memorial Day, irgendwas ist hier immer los." Bild unten: Schramm 1983 bei der Eiskunstlauf- EM in Dortmund, als er die Goldmedaille gewann.

 

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